Klassische Elektrotherapie

Die Elektrotherapie hat sich als wirksame Therapieform zur Behandlung der Inkontinenz bewährt. Der Einsatz ist bei der Stress- und bei der motorischen Drang-Inkontinenz möglich und sinnvoll. Bei Patienten mit Drang- und Mischinkontinenz kann durch Elektrotherapie ca. 1/3 der Betroffenen geheilt und 1/3 gebessert werden, 1/3 gibt unverändert Beschwerden an. Bei Patienten mit Stress-Inkontinenz kann bei ca. 50% eine Besserung erreicht werden.

Obwohl der Wirkungsmechanismus der Elektrostimulation bei der Inkontinenz noch nicht vollständig geklärt ist, geht man davon aus, dass durch eine direkte Beeinflussung der Beckenbodennerven (N. pudendus) eine Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur hervorgerufen wird. Dies führt zu einer Steigerung des Muskeltonus, zu einer Hypertrophie der Muskulatur und zu einer Verbesserung der Kontraktionsfähigkeit des Beckenbodens. Des Weiteren wird eine Normalisierung des Refluxmusters des Kontinenz erhaltenden Organs  durch die Elektrotherapie diskutiert. Dabei soll die Aussprossung erhaltener Motoneurone gefördert und die Reinnervation verbessert werden. Neben der Beckenbodenkontraktion und Kontraktion des externen Harnröhren-Sphinkters kommt es auch zu einer rein reflektorischen Hemmung des N. pelvicus, was zu einer Entspannung des Blasenmuskels (Detrusor) führt..

Gerätetypen

 

Man unterscheidet bei den niederfrequent arbeitenden Geräten solche zur Stimulation bzw. Hemmung verwendeten Geräte von sog. Biofeedbackgeräten. Während die Stimulationsgeräte Muskulatur oder Nerven im Bereich des Beckenbodens durch Strom anregen (und dadurch zum Beispiel den Blasenmuskel hemmen), registrieren die Biofeedbackgeräte die durch willkürliche Kontraktion fließenden elektrischen Ströme und stellen dies dar (Töne, Leuchtdioden,...). Damit sehen Sie, ob Sie die richtigen Muskeln anspannen und wie stark. Es gibt auch Geräte, mit denen beide Behandlungsformen möglich sind (Kombi-Geräte).

Applikationsformen

 

Man kann den Strom über eine transvaginale Sonde an die Beckenbodenmuskeln heran bringen, was aber nur richtig funktioniert, wenn keine ausgeprägte Senkung die korrekte Platzierung der Sonde in Relation zur Muskulatur verhindert, über eine transanale Sonde (falls die Senkung zu ausgeprägt ist, es um eine Stimulation vordringlich des Schließmuskels des Afters geht oder der Patient männlich ist) oder über die Haut (Klebeelektrode) applizieren. Letzteres wenden wir gerne bei Drangproblemen in Form der präsakralen oder prävesikalen Schmetterlingselektrode an (s. nebenstehende Abbildung).

Externe niederfrequente Stimulation

 

Eine weitere Möglichkeit ist die Stimulation des Beckenbodens über äußerliche Elektroden, die in einer Art "Hose" getragen werden und mit denen dann auch eine Bewegung möglich ist. Allerdings ist auch dies ein niederfrequenter Strom. Gute Erfolge werden hier im Bereich der Schliessmuskelaktivierung des Afters berichtet, da diese Muskelgruppe sehr oberflächlich liegt.



Die sakrale Neuromodulation/ Neurostimulation/Blasenschritt-macher (SNS, SNM, BSM) ist eine invasive Form der Elektrotherapie am Beckenboden und wird hier der Vollständigkeit halber aufgeführt.

Die Indikationsstellung erfolgt streng, es handelt sich um die letzte zu ergreifende Maßnahme bei schweren Funktionsstörungen am Beckenboden.

Sakrale Neurostimulation/-modulation

 

Es handelt sich um ein minimal-invasives Verfahren, das zunächst bei einer Teststimulation erprobt wird. Dabei wird eine Nadel durch das Kreuzbein zu dem Nerv, der den Beckenboden versorgt, eingebracht. Über diese Hohlnadel kann der Nerv stimuliert werden und bei günstiger Lage, d. h. bei einer Kontraktion des Beckenbodens bei Stimuklation der Nadel, kann eine Elektrode durch die Nadel eingeführt werden. Diese Elektrode wird dann mit einem externen Stimulationsgerät (obere Abb.) verbunden. Nun wird der Beckenboden durch dieses Stimulationsgerät während der Testphase chronisch stimuliert, ohne dass der Patient etwas davon bemerkt. Zu Hause in gewohnter Umgebung kann nun die Wirkung dieser Stimulation überprüft werden. Tritt eine Reduktion der Inkontinenzsymptome von über 50% auf, wird der externe Stimulator durch einen implantierbaren Neurostimulator (ähnlich einem Herzschrittmacher) (untere Abbildung) ersetzt, der im Gesäßbereich unter die Haut implantiert wird. Dieser übernimmt dann die Funktion der chronischen Stimulation. Der Patient kann mit einer Fernbedienung die Stimulationsstärke beeinflussen. Ein Ausschalten für eine Blasen- oder Stuhlentleerung (Defäkation) ist in der Regel nicht nötig. Die Dauerstimulation der Nerven führt einerseits zu einer verbesserten Empfindlichkeit des Enddarmes (rektale Sensibilität) für ankommenden Stuhl und andererseits zu einer verbesserten Schließmuskelfunktion. Bei der Blase wird in der Regel der überaktive Blasenmuskel gehemmt und es kommt dadurch zur Drangreduktion.